Tod und Jenseits im alten Ägypten

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Broschiertes Buch
Tod und Kultur - das opus magnum von Jan Assmann

Der Mensch ist das Tier, das mit dem Wissen um seine Endlichkeit leben muss, und die Kultur ist die Welt, die sich der Mensch errichtet, um mit diesem Wissen leben zu können. Diese These erläutert Jan Assmann am Beispiel der altägyptischen Kultur, indem er zeigt, in welchem Umfang die Todesbilder die gesamte Lebenswelt und Daseinsauslegung der Ägypter bestimmt haben. Ausgehend von der bisher weitgehend unbekannten Gattung der Totenliturgien bietet er einen umfassenden Überblick über die altägyptische Totenreligion.

Im ersten Teil des Werkes werden neun verschiedene Todesbilder beschrieben: Der Tod als Zerrissenheit des Körpers, als soziale Isolation, die Idee des Totengerichts, Leichnam, Mumie, Seele und Ahnengeist des Toten, der Tod als Trennung und Übergang, als Heimkehr und als Geheimnis kommen hier zur Sprache.

Der zweite Teil behandelt eine Auswahl von Riten, in denen solche Todesbilder in sprachliche und rituelle Handlung umgesetzt werden. Dabei ergeben sich von den Totenbildern und -riten aus immer wieder Einblicke in den Gesamtzusammenhang und die Eigenart der altägyptischen Kultur.

"So erscheint uns Heutigen die ägyptische Totenreligion als das Unikum eines die gesamte Wirklichkeit bestimmenden, unendlich komplexen, differenzierten und in seinen extremen Formen geradezu abstrusen Phänomens.
Dabei tritt hier nur auf eine freilich besonders elaborierte Weise in Erscheinung, was zu den typischen Formen des Totenglaubens gehört, und es ist eher unsere eigene Kultur, die mit ihrer Ablehnung, nicht Ausblendung jeglichen Totenkults und ihrer allgemeinen Ausgrenzung des Todes aus der Kultur eine Ausnahme darstellt.
Daher kann uns die Begegnung gerade mit der ägyptischen Totenreligion vor Augen führen, was wir aus dem Blick verloren haben."(Aus dem Vorwort)

Der Mensch ist das einzige Wesen in der Natur, das um seine Sterblichkeit weiß. Und die Kultur ist "die Welt, die sich der Mensch errichtet, um mit diesem Wissen leben zu können". Auch wenn vor dem Tod alle gleich sind, er niemanden verschont, gibt es doch ein großes Spektrum an individuellen und kulturellen Möglichkeiten, mit ihm umzugehen. Dass sich die Gesellschaft im Alten Ägypten besonders intensiv mit der Vergänglichkeit des Lebens beschäftigte, sehen wir heute noch an den Überresten ihrer Totenreligion -- den imposanten Grabmälern, Pyramiden, Sarkophagen und Grabbeigaben.

Mehr als 15 Jahre Arbeit hat der renommierte Ägyptologe Jan Assmann in dieses imposante Werk einfließen lassen, und mit kundiger Hand geleitet er den Leser durch eine Galerie altägyptischer Todesbilder und -riten. Vor allem bei den neun Todesbildern (vom "Tod als Zerrissenheit" bis zum "Tod als Geheimnis") gelingt es Assmann immer wieder, spannende Vergleiche zur griechisch-römischen und jüdisch-christlichen Vorstellungswelt anzustellen. Dabei wird auch deutlich, welche Bilder von Tod und Jenseits für die Entstehung unseres Monotheismus aufgegeben werden mussten.

Trotz aller Detailliertheit und Ausführlichkeit, mit der uns Assmann die ägyptischen Totenkulte vor Augen führt, vergisst er doch nie die Generalthese seiner Untersuchung: "Das Wissen um unsere Sterblichkeit ist ein Kultur-Generator ersten Ranges". Und es ist bei vielen Kulturen zu beobachten, dass -- wie bei den Ägyptern -- die spezifische Bewältigung des Todes in alle anderen Bereiche der Kultur ausstrahlt. Hier könnte man allerdings fragen, ob die Beeinflussung nicht wechselseitig ist. Wenn etwa die soziale Eingebundenheit des Einzelnen auch nach dem Tod von überragender Bedeutung ist, wirkt dann nur die ägyptische Totenreligion auf die Sozialbeziehungen oder nicht auch umgekehrt?

Genau das ist das Interessante an Assmanns Buch und macht es nicht nur für eingefleischte Ägypten-Fans lesenswert: Dass er die ägyptische Todesobsession nicht als Sonderfall behandelt, sondern von diesem Beispiel ausgehend immer wieder die generelle kulturelle Bewältigung des Sterbenmüssens beleuchtet und so einen Beitrag zur allgemeinen Kulturtheorie leistet. --Christian Stahl

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